SOKA-BAU Ausnahmen: doch keine Beitragspflicht?

Die Zuordnung von Betrieben in die SOKA-Pflicht ist nicht einfach nachzuvollziehen. Sie ergibt sich aus dem Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV). Dieser findet auch auf Betriebe Anwendung, die nicht im Arbeitgeberverband organisiert sind. Gleichzeitig enthält der VTV auch eine Reihe Ausnahmen von Betrieben, die nicht oder nicht immer in die SOKA-Pflicht fallen.

Bei vielen Konflikten geht es um sogenannte Mischbetriebe, also Betriebe, die sowohl bauliche Tätigkeiten erbringen, aber auch Tätigkeiten, die zu gewissen Gewerken des Handwerks zählen, die von der SOKA-Pflicht ausgenommen sind, zum Beispiel Maler. Maßgebend ist hier die betriebliche Gesamtarbeitszeit, also die Frage, wieviel Arbeitszeit im Betrieb auf welche Tätigkeit entfällt. Doch die Hürden, um der SOKA-Pflicht zu entgehen, sind hier recht hoch.

Außerdem kann auch die Mitgliedschaft in speziellen Verbänden den Betrieb vor der SOKA-Pflicht schützen.

Die Zuordnung von Betrieben in die Beitragspflicht ist nicht einfach, sodass nicht alle Forderungen, die die SOKA-BAU erhebt, auch automatisch rechtens sind. Daher kann sich der Versuch lohnen, die Pflichtmitgliedschaft zu widerlegen und damit Beitragsforderungen der SOKA-BAU abzuwehren.

Viele Unternehmen stellen sich daher die folgende Frage: Wann entfällt die Beitragspflicht?

Nachfolgend bieten wir einen vereinfachten Überblick über die Ausnahmen von der Beitragspflicht und helfen damit bei der Einordnung, wann ein Betrieb trotz der Erbringung von Bautätigkeiten nicht beitragspflichtig ist.

Wird festgestellt, dass die durch den Betrieb ausgeführte Arbeit von den im Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) genannten Gewerken (§ 1 Abs. 2, Abschnitt IV, V VTV) oder von den allgemeinen Beschreibungen (§§ 1 Abs. 2, Abschnitt I–III VTV) erfasst wird, und führt der Betrieb diese Tätigkeiten arbeitszeitlich überwiegend  aus, wird das Vorliegen einer Ausnahme in folgenden zwei Schritten geprüft:

  1. Katalogausnahmen: Sind die Gewerke (evtl. auch als Mischbetriebe) wegen speziellerer Tarifverträge ausgenommen (§ 1 Abs. 2, Abschnitt VII VTV, z. B. Dachdecker, Maler, Schreiner)?
  2. Verbandsmitgliedschaft: Hat die Einschränkung der Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) von Bautarif-Vertragswerken aufgrund eines spezielleren Tarifvertrages Vorrang?

Ausnahmen von der SOKA-BAU: Hier entfällt die Beitragspflicht

Ob ein Unternehmen im Sozialkassenverfahren der SOKA-BAU beitragspflichtig ist, muss stets im Einzelfall geprüft werden. Dabei gibt es folgende Ansatzpunkte, um Forderungen abzuwehren:

1. Katalogausnahmen

Es gibt gemäß § 1 Abs. 2, Abschnitt VII VTV Tätigkeiten, die grundsätzlich nicht von den Tarifverträgen zu den Sozialkassenverfahren der Bauwirtschaft erfasst werden, wenn diese arbeitszeitlich überwiegend ausgeübt werden. Eine Teilnahmepflicht zu den Sozialkassenverfahren besteht dann nicht, wenn eine der in § 1 Abs. 2, Abschnitt VII VTV genannten Tätigkeiten für sich betrachtet zu mehr als 50 Prozent der betrieblichen Gesamtarbeitszeit (also „überwiegend“) ausgeübt wird. Deshalb lohnt es sich gerade bei Mischbetrieben, auch vor Gericht gegen eine Beitragspflicht vorzugehen.
Ausgenommen von der Beitragspflicht sind folgende Tätigkeiten:

  • des Betonwaren und Terrazzowaren herstellenden Gewerbes,
  • des Dachdeckerhandwerks,
  • des Gerüstbaugewerbes, deren Tätigkeit sich überwiegend auf die gewerbliche Erstellung von Gerüsten erstreckt,
  • des Glaserhandwerks,
  • des Herd- und Ofensetzerhandwerks,
  • des Maler- und Lackiererhandwerks,
  • der Naturstein- und Naturwerksteinindustrie,
  • der Nassbaggerei, die von dem Rahmentarifvertrag des Nassbaggergewerbes erfasst werden,
  • des Parkettlegerhandwerks,
  • der Säurebauindustrie,
  • des Schreinerhandwerks sowie der holzbe- und -verarbeitenden Industrie,
  • des Klempnerhandwerks, des Gas- und Wasserinstallationsgewerbes, des Elektroinstallationsgewerbes, des Zentralheizungsbauer- und Lüftungsbauergewerbes sowie des Klimaanlagenbaues,
  • des Steinmetzhandwerks, (unter speziellen Voraussetzungen).

Aber aufgepasst! Für viele dieser Ausnahmen gibt es wieder eine Rückausnahme. In diesem Fall liegt dann doch eine Beitragspflicht vor, obwohl eigentlich Tätigkeiten ausgeführt werden, die unter die Katalogausnahmen fallen. Eine Rückausnahme liegt vor, wenn an das ausgenommene Gewerk mit den Worten „soweit …“ oder „soweit nicht …“ weitere Anforderungen gestellt werden, um nicht doch unter den Tarifvertrag zu fallen.

Fest steht jedoch: Begründet die SOKA-BAU die Pflichtmitgliedschaft anhand falscher Annahmen, entfällt die Beitragspflicht.

2. Anwendung der Katalogausnahmen auf Mischbetriebe

Mischbetriebe sind Bau-, Handwerks- und andere Betriebe, bei denen manche Merkmale für eine (verpflichtende) Mitgliedschaft in der Sozialkasse sprechen, andere aber für eine Befreiung wegen der Ausübung von Tätigkeiten, die in die Katalogausnahmen des § 1 Abs. 2, Abschnitt VII VTV fallen. (siehe oben). Ob eine Beitragspflicht vorliegt, hängt auch bei Mischbetrieben nicht vom Gewinn- oder Umsatzanteil ab. Ausschlaggebend ist der Anteil an der betrieblichen Gesamtarbeitszeit, der für Bautätigkeiten und die Ausnahmentätigkeiten aufgewendet wird. In diesem Zusammenhang haben die Arbeitsgerichte die sogenannte „Sowohl-als-auch-Rechtsprechung“ entwickelt.  Von der „Sowohl-als-auch-Rechtsprechung“ sind Tätigkeiten betroffen, die sowohl bauliche Leistungen als auch ausgenommene Tätigkeiten nach Abschnitt VII VTV darstellen. Bei solchen Tätigkeiten kommt es entscheidend darauf an, welches Gepräge in dem Betrieb vorherrscht. Zum Beispiel ist die Frage zu klären, ob in dem Betrieb die entsprechenden Arbeiten von Bauarbeitnehmern oder gelernten Gesellen des Ausnahmegewerks ( z. B. Schreiner, Maler, Klempner) ausgeführt werden beziehungsweise, ob die auszuführenden Arbeiten von einem Meister dieses Ausnahmegewerks geleitet oder beaufsichtigt werden. Derartige Betriebe tun sich oft schwer, ihre SOKA-BAU Beitragspflicht anzuerkennen. Sie verstehen sich zu Recht als echte Mischbetriebe und glauben nachweisen zu können, dass der Schwerpunkt an Arbeitszeit ihrer Arbeiter unter 50 % des klassischen Baubereiches liegt, da hauptsächlich Handwerkerarbeiten erbracht werden. Doch die Hürden liegen sehr hoch. Gerade Mischbetriebe sollten sich von einem erfahrenen Rechtsanwalt, der auf Arbeitsrecht (und damit auf Tarifverträge) spezialisiert ist, beraten lassen.

3. Ausnahme durch Verbandsmitgliedschaft

Grundsätzlich erhebt die SOKA-BAU keine Forderungen gegen solche Betriebe, die aufgrund speziellerer Tarifverträge oder einer Verbändevereinbarung nicht von den Tarifverträgen zu den Sozialkassenverfahren der Bauwirtschaft (VTV) erfasst werden. Die Tätigkeit ist aber nur dann ausgenommen, wenn der Betrieb eine Mitgliedschaft zu dem Verband oder der Innung nachweist, die er bis zu einem bestimmten Stichtag erworben hat. Sollte die Mitgliedschaft nach dem Stichtag abgeschlossen worden sein, dann muss der Betrieb neben der Mitgliedschaft auch noch Tätigkeiten ausführen, die in der Einschränkungsklausel der Allgemeinverbindlicherklärung (siehe unten) exakt genannt sind.

Hierbei wird zwischen Verbänden des Handwerkes und Verbänden der Industrie unterschieden.

Handwerk:

Sind Betriebe bis zum 30.06.2014 (Stichtag) bereits Mitglied in einem der nachfolgend aufgeführten Handwerksverbände geworden, besteht in der Regel keine Teilnahmepflicht an den Sozialkassenverfahren.

  • Bundesverband Holz und Kunststoff,
  • Bundesverband Metall,
  • Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke,
  • Zentralverband Raum und Ausstattung,
  • Zentralverband Sanitär Heizung Klima.

Bei späterem Erwerb der Mitgliedschaft (also nach dem 30.06.2014) kommt es auch darauf an, ob der Betrieb die in der Einschränkungsklausel genannten Tätigkeiten ausführt.

Industrie:

Sind Betriebe Mitglied in einem der nachfolgend aufgeführten Industrieverbände, besteht in der Regel keine Teilnahmepflicht an den Sozialkassenverfahren, wenn die Mitgliedschaft bereits ab dem 01.07. 1999 (Stichtag) bestand.

  • Hauptverband der Holz und Kunststoffe verarbeitenden Industrie und verwandter Industriezweige e. V.,
  • Vereinigung Deutscher Sägewerksverbände e. V.,
  • Sozialpolitische Arbeitsgemeinschaft Steine und Erden,
  • Bundesverband der Deutschen Mörtelindustrie e. V.,
  • Bundesverband der Deutschen Transportbetonindustrie e. V.,
  • Bundesarbeitgeberverband Chemie e. V.,
  • Verbände der kunststoffverarbeitenden Industrie,
  • Gesamtverband der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie e. V. (Gesamtmetall).

Bei späterem Erwerb der Mitgliedschaft (also nach dem 01.07. 1999) kommt es auch darauf an, ob der Betrieb die in der Einschränkungsklausel genannten Tätigkeiten ausführt.

4. Sind wirklich auch nicht tarifgebundene Unternehmen betroffen?

Die Pflichtbeiträge zur SOKA-BAU basieren auf Tarifverträgen, die vom Bundesarbeitsministerium für Arbeit und Soziales für allgemeinverbindlich erklärt worden sind. Dadurch gilt der Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) auch für Unternehmen, die eigentlich nicht tarifgebunden sind. Diese Allgemeinverbindlicherklärung wurde mit zwei Beschlüssen des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2016 für die Allgemeinverbindlichkeitserklärungen des VTV von 2008, 2010 und 2014 überraschend aufgehoben. Allerdings hat die Politik hierauf mit dem Sozialkassenverfahrensicherungsgesetz (SokaSiG) zur Rettung der SOKA-BAU reagiert. Das SokaSiG ist zwar wegen seiner eigentlich unzulässigen Rückwirkung und weiteren Unklarheiten umstritten. Andererseits werden die Allgemeinverbindlicherklärung des VTV und das SokaSiG regelmäßig gerichtlich bestätigt. Extratipp zum Ausnutzen von Ausnahmen der SOKA-Pflicht: Durch die richtige Gestaltung von Betrieben oder Betriebsabteilungen mittels organisatorischer Maßnahmen kann der Kreis der beitragspflichtigen Personen eingeschränkt oder die Betragspflicht im besten Fall ganz beseitigt werden.

Fazit

Nicht jedes Unternehmen, das Bautätigkeiten irgendeiner Art ausführt, ist beitragspflichtig in der SOKA-BAU. Insbesondere bedeutet ein Beitragsbescheid der SOKA-BAU nicht, dass auch tatsächlich eine Beitragspflicht vorliegt. Es gibt mehrere Ausnahmen, die verschieden begründet werden können. Die Beitragsforderungen der SOKA-BAU abzuwehren, ist aber kein Selbstläufer, das zeigt die Praxis. Wenn die Abwehr allerdings gelingt (und auch das hat die Praxis gezeigt), spart der Betrieb monatlich hohe Beträge.

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