Pflichtmitgliedschaft: Ist mein Betrieb sozialkassenpflichtig in der SOKA-BAU?

Für Unternehmen des Baugewerbes ist die Mitgliedschaft in der SOKA-BAU Pflicht. Diese Pflichtmitgliedschaft ergibt sich aus dem Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV). Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat den VTV für allgemeinverbindlich erklärt. Damit fallen Bauunternehmen unter den VTV, egal ob sie Mitglied in einem Arbeitgeberverband sind oder nicht.

Entscheidend ist vielmehr die Frage, ob die Unternehmen in den recht komplizierten und zugleich sehr weiten Geltungsbereich des VTV fallen. Kriegsentscheidend ist die Frage, ob die Betriebe „überwiegend“ Bautätigkeiten ausüben. „Überwiegend“ heißt in diesem Zusammenhang, dass mehr als der Hälfte der im Betrieb geleisteten Arbeitsstunden auf im VTV genannte baulichen Tätigkeiten entfallen.

Aber es gibt auch Ausnahmen. Der VTV zählt sogar ausdrücklich Gewerke auf, die von der Pflichtmitgliedschaft ausgenommen sind. Auch Mischbetriebe, die sowohl bautypische Tätigkeiten ausüben, als auch Tätigkeiten, die nicht in die SOKA-Pflicht fallen, können der SOKA-Pflicht unter Umständen entgehen. Hier ist die Bewertung besonders komplex und sollte gegenüber der SOKA-BAU unter Hinzuziehung eines Anwalts vertreten werden.

Die Mitgliedschaft in der SOKA-BAU ist für Unternehmen, die dem Baugewerbe zuzuordnen sind, Pflicht. Diese Pflichtmitgliedschaft wird durch den Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) geregelt. Dieser Tarifvertrag wurde vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales für allgemeinverbindlich erklärt und gilt damit auch für Betriebe, die gar nicht Mitglied im Arbeitgeberverband sind und auch sonst nichts mit Tarifverträgen zu tun haben. In Anbetracht komplexer Regelungen im VTV, insbesondere für Mischbetriebe und vielfacher Ausnahmen, ist häufig nicht leicht zu beurteilen, wer sozialkassenpflichtig ist und wer nicht.

Hinzu kommt, dass Tätigkeiten, die nach dem alltäglichen Verständnis nicht als Bautätigkeiten im klassischen Sinne verstanden werden, dennoch überraschend dem Geltungsbereich des VTV unterfallen und damit eine Beitragspflicht nach sich ziehen können. Oftmals gehen Unternehmen nicht davon aus, dass sie überhaupt sozialkassenpflichtig sind, da sie sich keinen klassischen Bautätigkeiten zurechnen.

Umso größer ist dann die Überraschung, wenn diese Unternehmen eines Tages Post von der SOKA-BAU erhalten und hohen Nachforderungen für Pflichtbeiträge sowie hohen Zinsforderungen ausgesetzt sind. Erschwert wird die sichere Beantwortung der Frage, ob eine Pflichtmitgliedschaft in der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft vorliegt oder nicht, außerdem durch die unübersichtliche Rechtsprechung. Um die Verwirrung komplett zu machen, gibt es oftmals Betriebe, die eigentlich sozialkassenpflichtig sind, aber aufgrund einer sogenannten Rückausnahme aus der Pflichtmitgliedschaft wieder herausfallen.

Ob ein Unternehmen (oder genauer gesagt: ein Betrieb) beitragspflichtig ist, lässt sich letztlich nur anhand einer Betrachtung der konkreten Umstände des Einzelfalls feststellen.

Geltungsbereich des VTV

Zur Ermittlung, ob der Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe auf Ihr Unternehmen Anwendung findet und Sie den Rechten und Pflichten des Tarifvertrags nachkommen müssen, wird zwischen einem räumlichen, persönlichen sowie betrieblichen Geltungsbereich unterschieden.

  • räumlicher Geltungsbereich: Der Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) gilt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (§ 1 Abs. 1 VTV). Erfasst werden alle Bauunternehmen, die baugewerbliche Leistungen in Deutschland erbringen, auch wenn sich der Betriebssitz des Unternehmens im Ausland befindet.
  • persönlicher Geltungsbereich: Er umfasst gewerbliche Arbeitnehmer, Angestellte, Dienstpflichtige Arbeitnehmer und Auszubildende (§ 1 Abs. 3 VTV). Die Zuordnung einzelner Arbeitnehmer ist wichtig, da der VTV zwischen „gewerblichen Arbeitnehmern“ und „Angestellten“ unterscheidet. Für gewerbliche Arbeitnehmer muss der volle Beitrag in die Sozialkassen gezahlt werden, für Angestellte lediglich ein deutlich geringerer monatlicher Pauschalbetrag.
  • betrieblicher Geltungsbereich: Von diesem Geltungsbereich werden alle Betriebe erfasst, die überwiegend Tätigkeiten des Baugewerbes erbringen. „Überwiegend“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass mehr als 50 % der geleisteten Arbeitsstunden auf bauliche Tätigkeiten entfallen (§ 1 Abs. 2 Abschn. VI VTV).

Mit welchen Tätigkeiten fällt man in die Pflichtmitgliedschaft in der SOKA-BAU?

Vom VTV, und damit der Pflicht zur Zahlung von Beiträgen an die SOKA-BAU, werden zunächst Betriebe erfasst, die „überwiegend“, das heißt zu mehr als der Hälfte der geleisteten Arbeitsstunden im Betrieb die in § 1 Abs. 2 Abschnitt I bis V des VTV aufgeführten Tätigkeiten ausüben.

Hierbei knüpfen § 1 Abs. 2 Abschnitt I bis III des VTV eher abstrakt an die Zweckbestimmung der betrieblichen Tätigkeiten an. Vereinfacht gesagt, besteht die Pflichtmitgliedschaft nach diesen Regeln dann, wenn der Zweck der Tätigkeiten irgendwie mit baulichen Leistungen in Verbindung gebracht werden kann. Hierfür können schon die Lieferung von Bauteilen oder reine Instandhaltungstätigkeiten (zum Beispiel Hausmeistertätigkeiten) ausreichen.

Gemäß § 1 Abs. 2 Abschnitt I bis III des VTV zählen folgende Leistungen dazu:

  • die Erstellung von Bauten aller Art,
  • die Erbringung baulicher Leistungen, die der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen,
  • die Erbringung sonstiger baulicher Leistungen.

Für die Bestimmung, ob die Tätigkeiten eines Unternehmens in die oben genannten Regelungen fallen, ist, durch die offene Formulierung dieser Regelungen, oftmals ein Rückgriff auf die bestehende Rechtspraxis und eine Interpretation der konkreten Umstände des Einzelfalls erforderlich.

Jedoch werden diese Tätigkeiten des § 1 Abs.2 Abschnitt I bis III des VTV durch die Aufzählung der insgesamt 42 Beispiele in § 1 Abs. 2 Abschnitt V des VTV konkretisiert. Werden in einem Betrieb Tätigkeiten ausgeübt, die in diese Beispiele fallen, dann bedarf es keiner Interpretation mehr, ob es sich um bauliche Leistungen im Sinne der § 1 Abs. 2 Abschnitt I bis III des VTV handelt. Bauliche Tätigkeiten liegen dann vor.

§ 1 Abs. 2 Abschnitt IV des VTV schließt dann noch eventuell bestehende Lücken, die § 1 Abs. 2 Abschnitt I bis III des VTV offen gelassen haben und zählt vier weitere Gruppen von Betrieben auf, für die auf jeden Fall die Pflichtmitgliedschaft besteht.

Alle diese Fälle haben für die Pflichtmitgliedschaft übrigens eines gemeinsam: Maßgeblich für die Beurteilung zur überwiegenden baulichen Tätigkeit ist die zeitliche Komponente, nicht hingegen die Höhe der Umsätze oder etwaige Gewinne. Diese bedeutet, es ist entscheidend, wie viele Arbeitsstunden auf welche Tätigkeit erbracht werden, nicht, wieviel womit verdient wird.

Auch spielt es für die Pflichtmitgliedschaft in der SOKA-BAU keine Rolle, ob es sich bei den Tätigkeiten um Bauhaupt- oder Baunebengewerbe handelt. Dies ist ein Irrglaube, der viele Betriebe, die sich dem Baunebengewerbe zugeordnet haben, schon teuer zu stehen gekommen ist.

Welche Betriebe sind nicht von der Pflichtmitgliedschaft in der SOKA-BAU betroffen?

In § 1 Abs. 2 Abschnitt VII VTV werden Tätigkeiten aufgeführt, die grundsätzlich nicht von den Tarifverträgen zu den Sozialkassenverfahren der Bauwirtschaft erfasst werden, sofern diese arbeitszeitlich überwiegend ausgeübt werden. Diese Ausnahmen werden als Katalogausnahmen bezeichnet. Typische Ausnahmen sind das Dachdeckerhandwerk, das Elektroinstallationsgewerbe und das Gerüstbauhandwerk.

Zu den glücklichen Betrieben, die von einer Pflichtmitgliedschaft entbunden sind, gehören auch solche Betriebe, auf die ein speziellerer Tarifvertrag Anwendung findet und die zugleich Mitglied in einem entsprechenden Verband sind, wobei die Mitgliedschaft in einem dieser Verbände oftmals wieder an einen speziellen Stichtag geknüpft werden.

Beispiele für diese Verbände sind die Vereinigung deutscher Sägewerksverbände e.V. oder der Abbruchverband Nord e.V. Eine vollständige Auflistung der Verbände und der weiteren Kriterien, die für eine Ausnahme von der Pflichtmitgliedschaft erforderlich sind, finden sich in der jeweils aktuellen Fassung der Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifvertragswerken für das Baugewerbe.

Keine SOKA-BAU Pflichtmitgliedschaft bei Mischbetrieben

Zu beachten ist außerdem die sogenannte „Sowohl-als-auch“ – Rechtsprechung, die sich mit Tätigkeiten von Mischbetrieben auseinandersetzt, in denen sowohl bauliche Tätigkeiten nach Abschnitt I-VI als auch ausgenommene Tätigkeiten nach Abschnitt VII VTV ausgeführt werden.

Werden insgesamt mehr als 50 % bauliche Tätigkeiten nach dem VTV erbracht, kommt zunächst eine Pflichtmitgliedschaft in der SOKA-BAU in Frage. Wenn diese Tätigkeiten sowohl als bauliche Tätigkeiten im Sinne des VTV zu verstehen sind, als auch als Tätigkeiten, die nach § 1 Abs. 2 Abschnitt VII VTV eigentlich von der Pflichtmitgliedschaft ausgeschlossen sind, ist von „Sowohl-als-auch“ – Tätigkeiten die Rede.

Bei Vorliegen dieser „Sowohl-als-auch“ – Tätigkeiten tritt dann ein weiteres Kriterium hinzu. Wenn 20 % der Gesamtarbeitszeit im Betrieb rein typische Tätigkeiten des Handwerkes sind, das gemäß § 1 Abs. 2 Abschnitt VII VTV eigentlich von der Pflichtmitgliedschaft in der SOKA-BAU ausgeschlossen ist, dann ist der Betrieb von der Beitragspflicht entbunden. Ein anderes Kriterium zum Ausschluss der Pflichtmitgliedschaft ist die Rechtsprechung, dass die „Sowohl-als-auch“ – Tätigkeiten in erheblichem Umfang von Fachkräften des einen Handwerks (Maler, Gerüstbauer, Dachdecker etc.) ausgeführt oder von einem Meister dieses Handwerks beaufsichtigt werden.

Obwohl diese Betriebe überwiegend bauliche Leistungen erbringen, sind sie dann nicht beitragspflichtig.

Fazit

Die Zuordnung von Betrieben als beitragspflichtige Baugewerbe im Sinne des VTV gestaltet sich mitunter schwierig. Diese Zuordnung stellt aber den Dreh- und Angelpunkt dar, ob eine Pflichtmitgliedschaft besteht und hat somit entscheidenden Einfluss darauf, ob überhaupt Beiträge zu entrichten sind.

Insofern kann es sich lohnen, gerade bei unklarer Sachlage bzw. Zweifeln eine Pflichtmitgliedschaft nicht als automatisch gegeben anzusehen. Unter Umständen kann auch durch die Verlagerung des Tätigkeitsschwerpunkts oder einen richtigen Zuschnitt des Betriebes eine Pflichtmitgliedschaft abgewendet werden.

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